Entlang des Tarn – Motorradtour in den Cevennen

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Diese Rundtour führt von Le-Pont-De-Montvert in den französischen Cevennen entlang des Tarn durch ein unglaubliches Szenario von Schluchten bis nach Millau zur größten Schrägseilbrücke der Welt, dem Viaduc de Milleau. Zurück geht es dann durch kaum weniger spektakuläre Landschaft, entlang der Flüsse Dourbier und Tarnon zum Ausgangspunkt einer unvergesslichen Tour.
Mehr davon in der folgenden Tourbeschreibung…..

Distanz: 280 Kilometer
Fahrzeit: Mindestens 5 Stunden ohne Pausen
Route und GPX Download: kurv.gr/WejXV

Talfahrt nach La Malène in die Gorges du Tarn

Le-Pont-De-Montvert – Saint-Enimie

Das kleine Örtchen Le-Pont-De-Montvert als Einstiegspunkt in diese Route wäre allein schon einen Tagesbesuch wert. Zumindest signalisieren die vielen Touristen an diesem herrlichen Spätsommertag Ende August, dass es in diesem malerischen Flecken mehr als nur die schöne Aussicht zu genießen gibt. Eine unüberschaubare Anzahl aufgebockter Motorräder säumt die Straße entlang der Cafés, welche zusammengequetscht zwischen schmaler Ortsstraße und steilen Hängen, jeden Vorbeikommenden zum Einkehren animieren.

Für mich wäre das allerdings noch etwas zu früh. Ich möchte weiter in die sagenhaften Schluchten des Tarn, die sich hier bereits schon sehr beeindruckend präsentieren. Ein paar Kilometer vorher, hinter dem Col de la Croix de Berthel, habe ich zum ersten Mal den noch jungen Tarn überquert, der dort mangels Masse noch nicht die Kraft entwickeln kann, sein Tal allzu tief in den kalkigen Untergrund des Zentralmassivs zu fräsen.

Inzwischen ist es heiß geworden: 33°C zeigt mein Thermometer im Fahrtwind. Schon lange habe ich mein Biker-Outfit hinten auf die Gepäckrolle geschnallt. Es ist nur noch in Shorts und T-Shirt auszuhalten. Immer wieder begegnen mir Bikerkollegen in voller Ledermontur und ich frage mich, wie die das ertragen. Mit Hitzschlag vom Fahrzeug zu fallen dient ja auch nicht gerade der persönlichen Sicherheit, oder?

Le-Pont-Du-Tarn

Die Straße windet sich bis Le-Pont-Du-Tarn, entlang an den Abgründen der Talflanken hoch über dem Fluss, überragt von jenen Steinkaskaden, die so typisch sind für die Schluchten der Cevennen. Es ist jenes Szenario, bei dem man dieses seltsame Gefühl in der Magengrube bekommt, wenn man versucht, nahe am Rand der Straße fahrend, die Tiefe des Abgrundes abzuschätzen.
Dazwischen weitet sich das Tal immer wieder und macht Platz für kleine malerische Ortschaften, die gespickt sind mit Restaurants und Campingplätzen.
In Le-Pont-Du-Tarn lacht mich ein kleiner Supermarkt an. Das passt wunderbar. Tank ist leer und der Fresskoffer auch, also nichts wie ran an die Zapfsäulen und danach noch rein in den angenehm klimatisierten Laden.
Es ist extrem heiß geworden. Eilig verstaue ich die Lebensmittel im Koffer, trinke aus meinem Wasserkanister wie ein Kamel, und schaue, dass ich wieder in den kühlenden Fahrtwind komme.

Castelbouc

Abermals geht es abenteuerlich kurvig jener Schlucht entlang, welche sich der Fluss hier jetzt tief in die Landschaft gegraben hat. Schnell komme ich an einen Aussichtspunkt, der als „Point de Vue sur Castelbouc“ angekündigt ist.

Und jetzt haut es mich wirklich um. Tief unter mir liegt, in einer malerischen Biegung des Flusses, der alte Flecken Castelbouc. Ein Gemälde!
Unten sehe ich Leute baden und ich beschließe spontan, zurück zur Abbiegung zu fahren, und mir diesen Ort aus der Nähe anzuschauen.

Die Anfahrt ist abenteuerlich: Quer durch den Campingplatz, über einen wenig vertrauenerweckenden Steg geht es auf die andere Seite des Tarn, vorbei an einer Art Strandbad, und dann endet die Straße aprupt vor einem Weg, der eher einem Höhleneingang gleicht, als einer Dorfstraße.
Ich mache einen Rundgang durch den ungewöhnlichen Ort und entdecke z.B. den Platz des Kriegerdenkmales mit den vielen Kleinigkeiten, die hier im Verlauf der Geschichte entstanden sind.

Zurück aus dem Dorf hätte ich Lust auf ein erfrischendes Bad im Wasser des Tarn, um das Salz auf der Haut loszuwerden, aber ich finde keinen Platz, wo ich das Motorrad auf den Mittelständer hieven könnte. Es gibt einfach keine einigermaßen ebene Fläche.

Baden bei Prades

Vorbei geht es an der Burg von Prades bergab bis fast auf das Niveau des Tarn.
Durch die Büsche unter mir sehe ich badende Leute und spontan stelle ich das Motorrad am Straßenrand ab. Ein kleiner Trampelpfad führt senkrecht nach unten und ich packe das Handtuch mitsamt der Badehose und mache mich an den Abstieg.
Das glasklare Wasser signalisiert maximale Abkühlung. Tief Luft holend wate ich auf den Steinen des Flussbettes Richtung tieferes Wasser, aber die Abkühlung ist nur mäßig. Klar, der Fluss ist nicht wirklich tief und auch nicht wirklich reißend. Die heiße Sonne tut ein Übriges und so bleibt einem bei der Erfrischung im bauchtiefen Wasser nicht fast das Herz stehen.
Auch sehr angenehm!

Sainte Enimie – La Malène

Welch ein Unterschied es doch ist, wenn man nicht schweißverklebt auf der Karre sitzt! Es ist nicht viel weniger heiß jetzt, aber ich sitze frisch und wach auf meinem Ross und vor lauter Glotzen merke ich gar nicht, dass Kurviger mich nach links über diese tolle Bogenbrücke aus dem Tal heraus lotst, hoch zum Col du Coperlac.

Als ich realisiere, auf welchen Umweg mich Kurviger da gelockt hat, raus aus dem schönen Talboden, fluche ich erst mal lautstark. Was soll das? Noch ahne ich nicht, welche umwerfende Straße mich erwartet!

Im Schatten der Bäume auf der Passhöhe steht eine Gruppe Fahrradfahrer. Waren die echt so wahnsinnig und sind bei dieser Hitze die 500 Meter Höhenunterschied hier hochgetreten? Oder sind die ganz gemütlich von der Hochebene des Massif Central gekommen, durch die ich jetzt fahre? Es sieht hier aus wie zu Hause auf der Schwäbischen Alb, und niemals könnte man ahnen, welche gigantische Schluchtenlandschaft sich nur ein paar Kilometer weiter rechts auftun wird.

Nach all den Highlights heute hatte ich schon fast auf Feierabend geschalten. Was aber was nun folgt, das ist kaum zu toppen.
Es geht bergab. Wie aus dem Nichts öffnet sich der Blick auf die tiefe Schlucht des Tarn und eine Bergstraße, die man kühner nicht in die fast senkrechte Wand hineinmeiseln könnte. Sie lässt einen in wilden Serpentinen steil hinunter nach La Malène stürzen, und ist dabei noch relativ schnell zu fahren.

Ich gebe es ungern zu: Ich bin da im Rausch runtergestürzt wie ein Adler vom Fels. Komplett vergessen, dass ich eigentlich so gut wie nichts auf den Knochen habe und erst unten in La Malène, auf der Brücke über den Tarn, bricht sich das Glücksgefühl in einem Jubelschrei Bahn. Die Tränen laufen mir über das Gesicht, ich bin emotional komplett von der Rolle.
Was für ein Tag!

La Malène – Millau

Der Verkehr auf der schmalen Uferstraße, die sich, ab und zu von Tunneln unterbrochen, spektakulär an der engen Tarnschlucht entlang windet, ist recht lebhaft und da auch noch sämtliche Kanuvermieter ihre Kunden in gerade noch mit der engen Straße kompatiblen Bussen talaufwärts fahren, mit riesigen Anhängern voller Boote im Schlepptau, geht es auf ein paar Kilometern recht sportlich zu.

Es ist ein Höllenbetrieb hier!
Heerscharen antiker VW-Busse parken irgendwie irgendwo kreuz und quer. Es sind auffallend viele junge Leute hier und die Menge von mitgeführten Seilen, Haken und Rucksäcken ist beeindruckend.
Später werde ich erfahren, dass es in den Gorges du Tarn an die 700 registrierte Kletterrouten gibt, und wie ich mich selbst überzeugen kann: Die meisten davon überhängend.
Gleich neben der Straße geht es senkrecht nach oben und ich schaue eine Weile unauffällig dem Treiben in dieser natürlichen Kletterarena zu, bevor ich mich irgendwann wegen Platzmangel wieder in den Sattel schwingen muss.

Parc Naturel Régional des Grands Causses

Wenig später beginnt in Le Rozier an der Grenze zum Département Aveyron der Regionale Naturpark Grands Causses. Dort wechsle ich von der rechten Talflanke über einen kleinen Zufluss des Tarn namens Jonte hinüber auf die kleinere D87 und fahre an der linken Seite des Tarn weiter. Das Tal ist mittlerweile etwas weiter geworden, doch die steinernen Kalk-Kaskaden links rechts bleiben beeindruckend und ich habe Mühe, die Straße nicht aus den Augen zu verlieren beim Nach-Oben-Gaffen.

Ich passiere die herrlich mit der Architektur des Ortes korrespondierenden Kaskaden bei La Cresse und erreiche kurz darauf die Stadt Millau.

Le Viaduc de Millau

Unbedingt sehenswert ist die Brücke von Millau, auf der die A75 in bis zu 270 Metern Höhe spektakulär das Tarn-Tal überwindet.
Da ich nicht vorhabe, auf die kostenpflichtige Autobahn zu fahren, lasse ich mich von Kurviger zum Informationszentrum Brocuéjouls lotsen, außerhalb des Autobahnbereiches. Der Besuch lohnt sich, denn dieses Bauwerk ist nicht nur ein beeindruckender Anblick, sondern auch eine großartige europäische Ingenieursleistung, die man hier wirklich verstehen lernt.

Die anschließende Weiterfahrt habe ich so gewählt, dass man die Brücke aus allen Perspektiven erleben kann.

Ich fahre Richtung Creissels und direkt nach dem Ortseingang geht es unmittelbar fast 180 Grad nach rechts ab in eine nicht ausgeschilderte Straße, die man ohne Kurviger gar nicht finden würde. Es geht zügig nach oben in einen Vorort von Millau namens La Roquette, auf die Route des Brunes. Unmittelbar hinter dem Ort wird die Straße einspurig. Es geht in engen Serpentinen an der Flanke des hier schon recht breiten Tarntals nach oben. Während des gesamten Aufstieges hat man immer wieder sagenhafte letzte Ausblicke auf das große Brückenbauwerk in seiner vollen Länge. Nach etwa 5km erreicht man einen Abzweig auf eine kurze Piste zum Aussichtspunkt Cap de Coste, für diejenigen, die sich immer noch nicht satt gesehen haben.

Nant – Saint-Jean-Du-Bruel – Trèves

Ein paar Kilometer weiter zeigt der Höhenmesser um die 800m an und trotz der Höhe vergisst man fast, welchen steilen Aufstieg man hinter sich gelassen hat. Es wird topfeben und bald erreiche ich die hier 4-spurig ausgebaute D809. Aber bereits nach einem knappen Kilometer dirigiert mich Kurviger wieder nach rechts ab auf etwas, das nicht gerade vertrauenerweckend aussieht. Doch bald sind wir auf diesem Fast-Feldweg wieder allein auf weiter Flur in einer scheinbar endlosen Hügellandschaft, die ein wunderbarer Kontrast ist zu den engen Schluchten der letzten Stunden.

Gerade habe ich mich an die Weite gewöhnt, da bricht die Hochebene ab und ein weiter Ausblick auf das Tal des Dourbie tut sich auf. Nach einer spannenden Abfahrt bin ich in Nant, dem südlichsten Punkt unserer Tour und gleich dahinter, im Talboden erreiche ich Saint-Jean-Du-Bruel. Nicht lange und Kurviger findet wieder ein schnuckeliges Sträßchen, das auf der anderen Seite des Tales steil nach oben führt, auf die andere Seite der Hochebene. Über den Col de la Pierre-Plantée geht es in 843 m Höhe entlang zum nächsten Talkessel und dann in engen Serpentinen hinunter nach Trèves am Flüsschen Trèvezel. Mitten im Ort kündet das Restaurant „Gorges Du Trèvezel“ an, dass wir wieder mit einer Schluchtenlandschaft rechnen dürfen. Wer hier nicht auf die Terrasse sitzen mag, um wenigstens eine Tasse Kaffee zu genießen, dem ist nicht zu helfen.

Meyrueis – Florac – Le-Pont-De-Montvert

Kurz hinter Trèves wird die Schlucht zur Klamm und das Sträßchen wird einspurig. Für Biker kein Problem, im Gegenteil. Gleichzeitig geht es wieder nach oben. Man ahnt, die Quelle des Flüsschens und damit das Ende des Taleinschnittes ist nah.

Muss ich betonen, wie herrlich die Landschaft ist? Ehrlich, man gewöhnt sich daran, denn man kann nicht an jeder dieser wunderbaren Ecken in Tränen ausbrechen. Aber angebracht wäre es schon.

Kurz vor einem kleinen Dorf namens Villemagne verlassen ich das Tal der inzwischen winzig gewordenen Trèvezel auf einer noch winzigeren Straße, und ich merke schon, dass der Integra das Gehopper und die endlose Kurbelei langsam zu viel zu werden beginnt. Aber die Rettung naht mit der Einmündung in die D986. Die Straße ist wieder anständig zweispurig und Geschwindigkeiten über 60 km/h sind theoretisch möglich.

Ich durchquere Meyrueis und orientiere mich Richtung Florac. „La Jonte“ heißt jetzt unser neuer Flusslauf, an dem die Strecke entlang führt. Das Tal ist weit und eher hochflächenartig. Nur die Bergspitzen links und rechts tragen Türme aus Kalkstein.
Bei Gatuzières befiehlt mir Kurviger, das Tal nach Norden zu verlassen. Über eine recht schnell fahrbare Bergstrecke darf sich die Integra ein wenig austoben. Auf über 1000 m über Meereshöhe ist der Col de Perjuret schnell erreicht und bald darauf geht es wieder hinüber in ein weiteres Hochtal, dessen Bächlein in den Tarnon münden wird, jenen wichtige Zufluss des Tarn. Schon ist Florac erreicht.

Street-Art vor Florac

Um nicht dieselbe Strecke vom Morgen noch einmal zu fahren, biege ich am ersten Kreisverkehr links ab Richtung La Salle-Prunet.
Die Nationalstraße ist gut ausgebaut und man kann es laufen lassen. Mitten auf der Strecke geht es links ab auf die winzige D20 Richtung Le-Pont-De-Montvert, über einen Pass namens Col du Sapet, der immerhin auf 1080m Höhe liegen wird.
Der Blick zurück über die Cevennen ist fantastisch und ein toller Ausklang der Tour.

Blick vom Col du Sapet auf die Cevennen

Ein starkes Dutzend Kilometer weiter kommt Le-Pont-De-Montvert wieder in Sicht.
Ich bin am Anfang und am Ziel meiner Tour angekommen.

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